SPD und Grüne debattieren über Atomkraftwerk Tihange

 

Als Bundesumweltministerin hatte Barbara Hendricks den Export von Brennelementen erlaubt. Grüne waren und sind empört.

Das „a.D.“ ist noch so frisch, dass es ab und zu vergessen wurde: Barbara Hendricks, bis vor wenigen Monaten Bundesumweltministerin, ist in den Themen, die sie von 2013 bis März 2018 verantwortete, noch absolut „drin“. Die ehemalige Ministerin sprach bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Kreis-SPD und Kreis-Grünen im Kevelaerer Bühnenhaus über das belgische Atomkraftwerk Tihange. In der Frage „Abwarten oder abschalten?“ waren sich Hendricks und der zweite Referent weitgehend einig. Kein Verständnis zeigte jedoch Oliver Krischer, Bundestagsmitglied der Grünen, ähnlich wie ein Großteil des Publikums für Hendricks‘ damalige Entscheidung, die Ausfuhr von Brennelementen nach Belgien zuzulassen. Die Ministerin war und ist der Rechtsauffassung, der Freihandel innerhalb Europas lasse einen Exportstopp nicht zu. „Wenn wir wüssten, dass damit Atomwaffen gebaut werden sollen, dann wäre das ein Argument gegen die Ausfuhrgenehmigung.“ Ihre Ergänzung, „wenn die Deutschen nicht liefern würden, täten es andere“, hatte im Publikum hörbar unzufriedenes Murren zur Folge.

SPD-Kreisvorsitzender Norbert Killewald hatte die etwa 70-köpfige Zuhörerschaft begrüßt, Kreis-Grünen-Chef Bruno Jöbkes stellte den Ablauf der Veranstaltung vor, und Kevelaers Bürgermeiste Dominik Pichler (SPD) übernahm die Rolle des Moderators. Er startete mit der persönlichen Erinnerung daran, wie 1986 wegen der Katastrophe von Tschernobyl auch am Niederrhein vorsorglich die Schulmilch gestrichen wurde. „Das zweite Ereignis, an das wir uns alle noch erinnern, war Fukushima. Dazwischen war Vergessen, danach blieb Unbehagen.“ Das immerhin zur Zusage der Bundesrepublik führte, bis 2022 aus der Atomkraft auszusteigen. Aber Tihange und Doel sind sehr nahe an der Grenze. „Dass in der Grenzregion Jodtabletten ausgegeben wurden, hat nicht zur Beruhigung der Bevölkerung beigetragen“, befand Hendricks.

Insbesondere Tihange bereitet Sorgen. Tausende Risse im Reaktordruckbehälter lassen die Befürchtung zu, dass im Falle eines Atomunfalls „das Zeug nicht drin bleiben“ würde, wie die Kreis Klever Bundestagsabgeordnete vereinfachend erklärte. Sie habe versucht, mit ihren belgischen Kollegen über ein Abschalten zu sprechen; „aber darauf gingen die gar nicht ein.“ Tatsächlich bemühe sich Belgien bis heute nicht um den Ausbau alternativer Energien, was den Rückzug aus der Atomkraft natürlich sehr schwierig mache. Im Gegenteil habe sie sich anhören müssen, dass Deutschland dafür seinen Dreck aus den Kohlekraftwerken in die Landschaft puste.

Oliver Krischer betonte, dass die Erneuerbaren inzwischen auch wirtschaftlicher seien als die Atomkraft, weshalb in der Zukunft wohl nicht mehr viele gebaut würden. „Aber die Altlasten bleiben uns erhalten.“ Krischer findet, die Berliner Koalition müsste auch in den Nachbarländern für einen schnellen Ausstieg werben. Dass es in Deutschland Unternehmen gebe, die mit Atomkraft Geld verdienen, sei angesichts der Sicherheitslage nicht hinnehmbar. Brennelemente zu produzieren und Uran aufzubereiten, sei angesichts des verabredeten Ausstiegs absolut inkonsequent. Der Grüne erhielt viel Applaus.

(RP)