Flughafen Weeze im Fegefeuer der EU

Ein 20-seitiger Bericht der Europäischen Kommission in Brüssel erhebt schwere Vorwürfe: Der Flughafen werde wegen der Beihilfen aus Steuergeldern nicht wettbewernskonform betrieben…


Zum Thema lesen sie hier einen Beitrag von Andreas gebbing, Redaktionsleiter der NRZ in Kleve

Gegenwind

Wer die Stellungnahme der EU-Lommission liest, ahnt nichts Gutes für den Flughafen Niederrhein. Die Brüsseler Beamten nehmen die Finanzierung des Airportes jetzt genau unter die Lupe. Die Behörde hat starke zweifel daran, dass die Darlehen der Entwicklungsgesellschsft des Kreises und der Gemeinde Weeze nicht als staatliche Beihilfe anzusehen sind. Die Kommission vertritt vielmehr die Auffassung, dass die Darlehen nicht zu marktkonformen bedingungen gewährt worden sind. und kein privater geldgeber eine derartige Förderung ohne vergütung gewährt hätte. Die kommission nimmt offenbar kopfschüttelnd zur Kenntnis, dass die Entwicklungsgesellschaft einige Darlehen jetzt seit 12 Jahren  ohne zinszahlungen zur verfügung gestellt hat.  im gegensatz zur auffassung der BRD sieht brüssel hierin eine beeinflussung des wettbewerbs. Ob die Darlehen als staatliche Beihilfe zu bewerten sind, wird jetzt geprüft. Mit welchem Ausgang ist ungewiss,
Die Kommission weist aber schon heute deutlich darauf hin, dass die Entwicklungsgesellschaft des Kreises und der Gemeinde "weder die Laufzeiten und Konditionen der Darlehen noch ihren anteil oder die Art der gestellten Sicherheiten jemals an die instabile Lage der FN GmbH angepasst" habe. Zudem gebe es kein Anzeichen, dass bei der Entscheidung zur Zinsstundung ein Business-Plan, ein Rating oder Belege vorgelegt haben. Ein marktwirtschaftlich handelnder Gläubiger hätte dies nicht getan, so die Kommission. mit anderen Worten: Die Kreisgesellschaft erteilte dem Flughafen quasi einen finanziellen Freischein.
Die Kreisverwaltung und der Flughafen sind gelassen. sie glauben darlegen zu können, dass die Höhe der Darlehens-Zinssätze marktkonform sind und dass die Entwicklungsgesellschaft sich wie ein marktwirtschaftlicher Kapitalgeber verhalten habe. Zumindest Letzteres darf man mit einem gesunden Menschenverstand anzweifeln.
Andreas Gebbing, NRZ vom 20.09.2012
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Hier lesen sie den Beitrag von Ralf Daute, Chefredakteur des "kleveblog":

Endlich ein neuer Niederrhein-Krimi!

Zugegeben, der Text ist so trocken wie zwei Wochen altes Weißbrot, aber so wie dieses in Brösel zerlegt werden kann, mit frischem, geriebenem Parmesan, kleingehackten Kräutern der Saison und reichlich Olivenöl eine formidable Mischung zur Füllung zuvor ausgehöhlter Fleischtomaten ergibt, die dann nur ein paar Minuten in den Backofen müssen, so entfaltet das Werk »2012/C 279/01« des unbekannten Autors aus den Reihen der EU-Kommission in seinen Partikeln eine Wucht, wie sie Leenders/Bay/Leenders selbst mit ihren explosivsten Plots nicht erreicht haben.
Richtig, es geht noch mal um den Flughafen Niederrhein, ich habe mir nun alle 155 Paragraphen der »Aufforderung zur Stellungnahme« durchgelesen – und es sei jedem, der sich dafür interessiert, wie Politik funktioniert, wärmstens empfohlen, den Text zu lesen. Der – wenn auch vorläufige – Blick aus Brüssel auf das Gebaren unserer Institutionen fällt vernichtend aus.
Es berührt den Leser schon peinlich, erfahren zu müssen, dass »Deutschland« (das Verfahren geht gegen Staaten) sich auf Verfahrensfragen beruft, um keine Auskünfte geben zu müssen. Und wenn dieser Hintergrund (Verfahren angeblich bereits abgeschlossen) als mehr oder minder aus der Luft gegriffen dargestellt wird (§§54, 55). Es erschreckt einen dann doch, erstmals Zahlen zum Anteil von Ryanair am Passagieraufkommen in Weeze zu lesen (konstant 80-99%, §10) und zur tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren des angeblichen Prosperierens zu lesen (Rückgang des Umsatzes pro Passagier von 9,75 € auf 8,28 € von 2007-2009, §38).
Es mutet fast schon mafiös an, wie immer neue Kredite ausgereicht und neue Stundungen beschlossen wurden, nur um ein offenbar völlig defizitär arbeitendes Unternehmen am Leben zu erhalten – Ende dieses Jahres steht dann ja der Schritt an, dass der Kreis statt Zinsen und Tilgungen Anteile bekommt. Es sind auch keine Peanuts mehr, um die es hier geht – auf 40 Millionen € kommt die EU-Kommission (Darlehen und aufgelaufene Zinsen).
Es wurden auch nicht nur Kredite verteilt und gestundet, es wurden auch Rückzahlungen in Millionenhöhe (5 inkl. aufgelaufener Zinsen) komplett erlassen – und zwar mit der Begründung, dass vertraglich vereinbarte Arbeitsplatzzahlen erreicht worden seien. Dazu heißt es im Bericht schlicht: Die Kommission stellt fest, »dass ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber einen derartigen Zuschuss niemals ohne jegliche Vergütung gewährt hätte« (§122).
Es ist verstörend zu lesen, wie die Brüsseler Behörde die Rolle der Entwicklungs- und Erschließungsgesellschaft Laarbruch (EEL) beleuchtet. Die EEL hatte laut Bericht ihren Zweck 2003 bereits erfüllt, wurde dann aber nicht aufgelöst, sondern als Infusionsgeber für den Flughafen am Leben erhalten – wörtlich »Zweckgesellschaft zur finanziellen Unterstützung der FN GmbH« (§84). Die Geschäftsführer der Gesellschaft heißen übrigens Wolfgang Spreen (Landrat) und Ulrich Franken (Bürgermeister Weeze).
Es wird sogar haarsträubend, wenn die Kommission lapidar feststellt, dass sie keine Informationen darüber erhalten hat, zu welchen Zinsen die Kredite ausgereicht wurden und wie Ratings und Risikomargen in diesen Satz eingeflossen sind – und man darf vermuten, dass es solches Material auch gar nicht gibt, weil es ein Geschäft unter dicken Freunden war. Es wird vollends zu einer Fremdschämnummer, wenn der einzige je von einer privaten Bank an den Flughafen Niederrhein gewährte Kredit (der damals von interessierter politischer Seite als Beleg für die positive Entwicklung des Flughafens ins Feld geführt wurde) als Rosstäuschung charakterisiert wird (§85).
Zum Abschluss zwei Paragraphen wörtlich:
§154: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt vertritt der Kommission den vorläufigen Standpunkt, dass die Darlehen der EEL GmbH an die FN GmbH, die von der FN GmbH vom Kreis Kleve als Überbrückungsfinanzierung für den Erwerb der Flughafen-Liegenschaft erhaltenen Mittel, die Fördermittel des Landes Nordrhein-Westfalen und die Darlehen und Liquiditätsmaßnahmen sowie die Gewährung einer Bürgschaft des Kreises Kleve und der Gemeinde Weeze zugunsten der EEL GmbH staatliche Hilfen darstellen, und sie hegt Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt.
§148: Dementsprechend fordert die Kommission Deutschland zur Stellungnahme und zur Übermittlung sämtlicher relevanter Informationen in diesem Zusammenhang auf, insbesondere aller vorbereitenden Unterlagen, der Beschlussvorlagen und Protokolle der entsprechenden Sitzungen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden,  des Kreistags, des Kreisausschusses und der Fachausschüsse des Landkreises Kleve und des Gemeinderats Weeze sowie der Darlehensverträge und Konditionsvereinbarungen zwischen der EEL GmbH und der [Bank] und der [Bank].
Als nächstes dann Hausdurchsuchungen?
Autor: Ralf Daute, Quelle: www.kleveblog.de

HIER finden sie den Bericht der NRZ vom 20.09.12 als pdf-Datei

Hier finden Sie den Artikel der RP vom 19.09.2012 als pdf-Datei

Hier finden Sie den Original-Beitrag der EU-Kommission aus dem Amtsbaltt der EU