Erweiterung der Deponie in Geldern-Pont: ökonomischer und ökologischer Unsinn

Einem privaten Investor soll es erlaubt werden, südlich der bestehenden Deponie in Geldern-Pont in landschaftlich sensiblen Bereich eine Bauschuttaufbereitungsanlage zu errichten? Nein. Ute Sickelmann von den Grünen im Kreistag hat eine umfangreiche Stellungnahme dazu erarbeitet.

Geplante Erweiterung der Mülldeponie in Pont in 2010

Die Deponie befindet sich seit 2009 in der Stilllegungsphase, die bis 2015 abgeschlossen werden soll. Die Kreis Kleve Abfallwirtschaft GmbH (KKA) plant auf Initiative der Stadt Geldern eine Erweiterung des Deponiegeländes um ca. 4,5 ha.
Auf dem Erweiterungsgrundstück sind u.a. geplant:
•    eine von Drittunternehmern betriebene Bauschuttaufbereitungsanlage (Anlieferung, Brechgerät und Siebanlage)
•    Containerstellflächen
•    Müllannahmestelle
•    Bodenzwischenlager für eine Menge von insgesamt 66.000 m³
•    Umlegung des Niersbroeker Weges über ca. 700 lfdm

Argumente gegen die geplante Erweiterung

1.    Die Geplante Erweiterung des Deponiegeländes wird u.a. mit zweifelhaften Einsparungsmöglichkeiten bei der Rekultivierung der Deponie, sowie Ergänzungswünschen für den Anlieferbereich für Kleinanlieferer und einem besseren Feuerwehrzugang begründet. Diese Wünsche sind auch ohne die umfangreiche und teure vorliegende Planung innerhalb des bestehenden Deponiegeländes oder an einem Alternativstandort zu realisieren. Die hohen Kosten für die Umlegung des Niersbroeker Weges über eine Länge von 700 m könnten eingespart werden. Wegen den sehr hohen Grundwasserständen müssten beim Bau der industriellen Abfallbehandlungsanlagen und Lagerplätze kostenträchtige technische Vorkehrungen zum Schutz des Grundwassers getroffen werden. Auch diese Kosten könnten eingespart werden, wenn die Anlage auf einem anderen Standort erbaut wird.

2.    Der Geschäftsführer der KKA GmbH hat während eines Gesprächs mit betroffenen Bürgern am 15.06.2010 erklärt, dass die Erweiterungsflächen zurzeit nicht zwingend erforderlich sind für den Betrieb und die Rekultivierung der Mülldeponie. Als Begründung für die jetzigen Erweiterungspläne nannte der Geschäftsführer unter anderem dem Wunsch einer Geldener Privatfirma um dort eine Bauschuttaufbereitungsanlage anzusiedeln. Auch wurden Gewinnmaximierungsabsichten der KKA angeführt, um so den Bürger vor steigende Müllgebühren zu schützen. Für die Rekultivierung und Nachsorge der Deponie hat der KKA aber bereits eine Rücklage von mehr als 70 Million Euro. Dieser Betrag mit den Erwirtschafteten Zinsen wird laut Aussage des Geschäftsführers ausreichen für die Rekultivierung und Nachsorge der Deponie.

3.    Die Stadt Geldern hat im Jahr 1999 eine Stellungnahme gegen den damals geplanten Bau einer Müll-Umladeanlage an der Deponie-Pont verfasst. (siehe beigefügte Anlage). Viele der in dieser Stellungnahme aufgenommene Argumente gelten heute sogar verstärkt, weil die neu geplante Erweiterung erheblich grösser ist, mehr Lärm verursacht, näher an der Niers liegt und den Deponiestandort viel langfristiger verfestigt. Es ist unverständlich, mit welchen Argumenten die Stadt Geldern elf Jahre später die aktuelle Erweiterungsplanung befürworten will.

4.    Die Standortwahl der Deponie im Jahr 1977 mitten in der Niersaue zwischen Niers und Kleine Niers wird mittlerweile von den Fachbehörden selbst als großer Fehler angesehen. Die Grundwasserpegel sind in diesem Gebiet durchgehend hoch, so dass es bereits heute zu großen Problemen mit dem verschmutzten Deponie-Sickerwasser kommt. Im ursprünglichen Feststellungsbeschluss von 1977 sollte nach der Schließung der Deponie im Jahr 2010 die Fläche rekultiviert werden und ein „begrünter Hügel“ verbleiben. Mittlerweile sind dort aber u.a. ein Blockheizkraftwerk, ein Wasserklärwerk und Müll-Umladehallen entstanden. Eine mit diesem Vorhaben vorgesehene Verfestigung und sogar erhebliche Erweiterung (um 7,5 ha) des Abfall-Wirtschaftsstandortes über die Befristung der Deponie im Jahre 2010 hinaus, sollte unbedingt verhindert werden. Die öffentlichen Belange, die beeinträchtigt werden, sind insbesondere Natur- und Landschaftsschutz, Landschaftsbild, die Aufgaben der Landschaft als Erholungsgebiet, Gewässerschutz, Hochwasserschutz und Denkmalschutz.

5.    Der Kreis Kleve als 100%-iger Eigentümer der KKA GmbH und als Eigentümer des Deponie-Erweiterungsgrundstücks hat dieses Ackergrundstück erstaunlicherweise nicht als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Alle umliegenden Flächen sind als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen worden. Im Regionalplan für den Regierungsbezirk Düsseldorf (GEP 99) ist dieses Grundstück mit der Freiraumfunktion „Schutz der Landschaft und landschaftsorientierten Erholung“ festgelegt. In einem solchen Gebiet ist die Ansiedlung von industriellen Anlagen grundsätzlich nicht gestattet. Insofern ist es unverständlich, wieso sich der Kreis Kleve als Untere Landschaftsbehörde über diese Festlegungen hinwegsetzt. Es kann nicht sein, dass die Regelungen und Einschränkungen, die den Privateigentümer zum Schutz der Landschaft im gleichen Gebiet auferlegt werden, in diesem Fall nicht gelten sollen.

6.    Im Jahr 2004 hat die Bezirksregierung Düsseldorf angrenzend an das Deponie-Erweiterungsgrundstück Überschwemmungsgebiete der Niers ausgewiesen. Auch im Regionalplan (GEP 99) sind die Überschwemmungsgebiete in dieser Niersaue festgelegt worden. Die Planung von einer industriellen Abfallbehandlungsanlage unmittelbar angrenzend an das Überschwemmungsgebiet ist mit den Begründungen zur Festsetzung der Überschwemmungsgebiete, als Flächen zum Erhalt von natürlichen Rückhalteflächen und zur Regelung des Hochwasserabflusses, unvereinbar. Gemäß § 113 LWG NRW ist in Überschwemmungsgebieten unter anderem das Erhöhen oder Vertiefen der Erdoberfläche sowie das Lagern oder Ablagern von Stoffen verboten.

7.    Zum Punkt Abfallwirtschaft schreibt der Regionalplan (GEP 99) auf Seite 121 in Ziel 3 vor:
•    „Neue Abfallentsorgungsanlagen, d.h. Behandlungsanlagen oder Deponien, sind dort auszuweisen, wo Nutzungskonflikte möglichst gering gehalten werden können“.
•    „Neue Abfallbehandlungsanlagen sollen in Bereichen für gewerbliche und industrielle Nutzungen errichtet werden“.
•    „Bei der Standortwahl für DeponieEU-Wn ist besonders darauf zu achten, dass die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes möglichst gering gehalten wird. Darüber hinaus sind zusätzlich noch die besonderen Hydrogeologischen Anforderungen zu berücksichtigen“

8.    Die Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) schreibt vor, dass ein „guter chemischer und ökologischer Zustand“ des Grundwassers und der Oberflächengewässer erreicht werden muss. Zur Erreichung dieses Zieles investiert das Land NRW in den nächsten Jahren Milliardensummen. Im Flachland sind insbesondere viele morphologische Maßnahmen an den Oberflächengewässern notwendig. Zahlreiche morphologische Maßnahmen wurden u.a. im Niersauenkonzept festgelegt. Für die Renaturierung der Niers sind vorrangig Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand vorgesehen und in Anspruch zu nehmen. Wegen der unmittelbaren Nähe zur Niers bietet sich das Deponie-Erweiterungsgrundstück  geradezu zur Umsetzung von WRRL-Maßnahmen an. Die an dieser Stelle geplanten industriellen Abfallbehandlungsanlagen sind mit den Renaturierungsplänen der EU-WRRL nicht in Einklang zu bringen. Es ist unverständlich, warum geeignete öffentliche Flächen nicht für Renaturierungsmaßnahmen genutzt werden sollen. Es steht zu befürchten, dass dann der private Eigentümer heran gezogen wird. Dies widerspricht aber einer ordnungsgemäßen Abwägung der Interessen, sowie der Grundsätze der Umsetzung, wie sie das MUNLV vorgegeben hat, da Grundstücke Privater grundsätzlich nachrangig für öffentliche Maßnahmen in Anspruch zu nehmen sind.

Die Landwirtschaftskammer NRW hat ein Beratungskonzept für den Bereich der Verbesserung der Grundwasserqualität erarbeitet. Vor dem Hintergrund des Beratungskonzeptes hatte das MUNLV in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen das Förderprogramm „Anbau von Zwischenfrüchten“ initiiert.  Dieses Programm dient dazu, den Austrag von Nitrat und Pflanzenschutzmitteln in das Grundwasser zu reduzieren und legt den Landwirten Bewirtschaftungsbeschränkungen auf.  
Zu diesen die Grundwasserqualität verbessernden Maßnahmen steht die Deponie  mit dem verschmutzten Deponie-Sickerwasser in Widerspruch. Die Deponie-Kläranlage säubert zwar ein Teil des Sickerwassers, aber eine 100%-ige Verhinderung das das Grundwasser verschmutzt wird, ist nicht realisierbar. Es kann nicht sein, dass sich die Landwirte Bewirtschaftungsbeschränkungen auferlegen, um die Auswirkungen der Landwirtschaft auf das Grundwasser zu verringern, das verschmutzte Sickerwasser der Deponie oder der neuen Abfallbehandlungsanlagen zum Teil weiterhin in das Grundwasser fließt.

9.    Täglich werden in NRW rund 15 ha unbebauter Landschaft für Siedlungs- und Verkehrswegebau beansprucht. Die Umweltministerien auf Bundes- und Landesebene mahnen zu einer nachhaltigen und sparsamen Flächenpolitik. Der NRW-Umweltminister hat dazu „die Allianz für die Fläche“ begründet www.allianz-fuer-die-flaeche.de. Der Flächenverbrauch soll u.a. durch die intelligente Wiedernutzung von Industrie-, Militär- und Verkehrsbrachen verringert werden. Die geplanten Abfallbehandlungsanlagen sind mit einer Zerstörung von Natur, Landschaft und dem unwiederbringlichen Verlust wertvoller Acker- und Weideflächen verbunden. Nach einem Alternativstandort wurde nicht gesucht.

10.    Auf einem Abstand von ca. 200m des Plangebiets liegt auf Straelener Gebiet der unter Denkmalschutz stehenden Getzelhof. Die geplanten industriellen Abfallbehandlungsanlagen in der näheren Umgebung des Baudenkmals würden das Erscheinungsbild des Denkmals beeinträchtigen. Der Eigentümer des Baudenkmals ist seiner gesetzliche Erhaltungspflicht durch umfangreiche Restaurierungen in den vergangenen Jahren nachgekommen. Die Wirtschaftlichkeit dieser Investitionen und damit die langfristige Instandhaltung des Baudenkmals werden insbesondere durch die Lärmimmissionen der Bauschuttbrech- und Siebanlagen erheblich beeinträchtigt. Mietminderungen werden den Qualitätsverlust der Lage kompensieren müssen. Die zuständigen Behörden haben die Belange des Denkmalschutzes sowie die Interessen der benachbarten Eigentümer zu berücksichtigen und in die Abwägung mit einzubeziehen.

11.    Die KKA behauptet in ihrem Erläuterungsbericht, dass die Geräuschimmissionen der Bauschuttbrechanlage die zulässigen Werte nicht überschreiten. Die Einhaltung der Werte wird durch die Gegenrechnung der wegfallenden Immissionen durch die Stilllegung der Deponie erreicht. Für die Anwohner jedoch, die schon seit langem mit der endgültigen Schließung der Deponie rechnen geht diese Gegenrechnung nicht auf. Jeder der Mal neben eine Bauschuttbrechanlage gestanden hat, weißt welcher Lärm zu erwarten ist. Die Kontrolle der Einhaltung des zulässigen Lärmimmissionswerts der Bauschuttbrechanlage wird zudem erschwert, weil die Anlage mobil ist und von der Drittfirma beliebig umgestellt werden kann.

12.    Die KKA behauptet in ihrem Erläuterungsbericht, dass der im Plangebiet liegende „Meykeshof“ keine prägende Bedeutung hat. Die Hofstelle soll künftig nicht mehr bewohnt werden. Eine Überprüfung des Merkmals „kulturlandschaftsprägend“ oder sogar die Baudenkmalwürdigkeit durch die zuständigen Behörden hat nicht stattgefunden. Der Meykeshof wird wohl dem Verfall preis gegeben oder sogar abgerissen werden. Andere kulturlandschaftsprägenden Gebäude in der engeren Umgebung des Plangebietes sind der „Husemannshof“ und der „Schanzhof“. Auch diese werden durch den Qualitätsverlust der Lage einen erheblichen Wertverlust erleiden.

13.    Die Landesregierung NRW hat Ihren Entwurf zur 1. Änderung des Landesentwicklungsplans offengelegt. Der Entwurf sieht vor, dass Standorte für Windkraftanlagen, Repowering und raumbedeutsame Solarenergieanlagen in „Bereichen für den Schutz der Landschaft und die Landschaftsorientierende Erholung“ ermöglicht werden. Der Kreis Kleve hat eine Stellungnahme zu dieser Änderung am Kreistag vorgelegt. Aus Sicht der Kreisverwaltung sind Landschaftsschutzgebiete und wertvolle historische Kulturlandschaften für die oben erwähnte Energieanlagen nicht geeignet und daher auszuschließen. Es ist daher unverständlich warum der Kreis Kleve diese immissionsfreien Energieanlagen ausschließt aber selber industrielle Abfallbehandlungsanlagen mit einer Größe von 4,5 ha in die wertvolle Kulturlandschaft der Niersaue bauen darf.

14.    Bei einer Bauschuttrecyclinganlage handelt es sich zudem nicht um einen nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegierten Abbaubetrieb. Es stellt sich daher die Frage, ob überhaupt notwendig ist, dass die Bauschuttrecyclinganlage im Außenbereich angesiedelt wird, vgl. VG Aachen, Urteil vom 12.09.2007. Eine Zulassung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB scheidet aus den oben genannten Gründen der entgegenstehenden öffentlichen Belange, wie WRRL, Schutz der Landschaft und Denkmalschutz aus.
Auch nach § 35 Abs. 2 BauGB kommt eine Genehmigung nicht in Betracht, da die Anlage aufgrund der Geräusch- und Staubemissionen schädliche Umwelteinwirkungen befürchten lässt.
Ute Sickelmann, Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Kleve